Uns erreichte ein Brief einer der Preisträger-Schule des DemokratieErleben-Preises 2019, den wir gerne als Thema des Monats März 2020 veröffentlichen. Zwei engagierte Lehrerinnen skizzieren mit anschaulichen Beispielen, wie Demokratiepädagogik den Lernort Schule der Schülerschule Pinneberg mit Leben erfüllt .

Autor*inn

Bettina Plenz und Ute Wurst
Webseite der Schule: www.schuelerschule.de

Leser*innen-Brief der Schülerschule Pinneberg – Preisträgerin des DemokratieErleben-Preises 2019

Warum wir denken, dass unsere Schule eine demokratische Schule ist, werde ich skizzieren und Ihnen aus unserer Satzung sowie Geschäftsordnung und unserem Schulalltag Beispiele nennen. Wir als Schule sind der Meinung, dass in einer Demokratie aufzuwachsen nicht reicht, um selbst demokratiefähig zu sein und demokratisch zu handeln. Eine demokratische Haltung muss gelernt werden. Daher sind wir als Schule aufgefordert, den Schüler*innen entsprechende Kenntnisse, Fähigkeiten und Wertehaltungen zu vermitteln.

Zunächst einmal ist Demokratielernen ein Grundprinzip in allen Bereichen unserer pädagogischen Arbeit.

In allen Unterrichtsfächern werden zum Beispiel Methoden kooperativen Lernens täglich erfolgreich eingesetzt. Entscheidend ist hierbei, dass wir als inklusive Schule großen Wert auf individualisiertes Lernen legen.

Dabei wird die Teambildung durch verantwortungsbewusstes Lernen gefördert.

Die Lehrperson gibt Impulse und Denkanstöße, sodass dem Lernenden ein Denkfreiraum ermöglicht wird. Dabei gelingt es Schüler*innen, ihre Leistung zu steigern und gleichzeitig arbeiten sie in einer angenehmen Unterrichtsatmosphäre! Ganz entscheidend sind hierbei auch die Lernziele, sich über ein Thema auszutauschen, sich zum Thema zu artikulieren, eigene Ideen und Gedanken zu formulieren, zuzuhören, nachzufragen, zu reflektieren und sich wertschätzend zu begegnen. Als Beispiel sei hier unsere Demokratiewoche erwähnt, in der wir uns in jahrgangsübergreifenden Gruppen mit Spielen des Vereins „Gesicht zeigen“ mit Vorurteilen und Klischees auseinandergesetzt haben.

Einen weiteren Schwerpunkt stellen verschiedene Beteiligungsverfahren dar.

Für uns bedeutet Partizipation Mitsprache, konkrete Mitgestaltung sowie Mitbestimmung. In der Schülerschule ist diese Form der Partizipation für Kollegium, Schulleitung, Schülerschaft und Eltern in der Geschäftsordnung fest verankert.

Die Schüler*innen sind an unserer Schule in vielen Gremien vertreten, nehmen vielfältige Aufgaben wahr und haben direkten Anteil an der Gestaltung und Weiterentwicklung der Schule. Das heißt, dass wir für unsere Schüler*innen Partizipationsräume bieten, in denen diese wirklich (mit-)entscheiden und (mit-)gestalten können. Ein weiterer Aspekt der Partizipation stellen die Beratungsgespräche mit interessierten Eltern und Kindern/Jugendlichen am Tag der offenen Türen dar. Diese Gespräche werden von Kolleg*innen, Eltern und Schüler*innen der 10. Klasse geführt und besitzen keinen festgelegten Zeitrahmen. Während dieser Gespräche erhalten Eltern und deren Kinder die Möglichkeit, sich über die Schule, den Schulalltag, das Konzept und vieles mehr zu informieren. Dabei erhalten sie Antworten und Erklärungen aus verschiedenen Perspektiven.

Unsere Mitgestaltungsgremien wie Zukunftswerkstatt, Umwelt-AG, Steuergruppe oder Schüler*innenzeitungs-AG arbeiten kontinuierlich an der demokratischen Weiterentwicklung der Schule. Dabei beschäftigen sich die einzelnen Gremien mit Fragen zur Nachhaltigkeit, Transparenz von Kommunikationsformen und der Realisierung von neuen Partizipationsräumen von Schüler*innen im Schulalltag. In allen Gremien sitzen Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern.

In der im Unterrichtsalltag verankerten Angebotsschiene bekommen die Schüler*innen zweimal die Woche zwei Stunden die Möglichkeit, aus einer Vielzahl von Themen, die den Bereichen Umwelt und Mensch, Bewegung, Kommunikation und Kunst zugeordnet sind, zu wählen. Dabei stehen regelmäßig Angebote zum Thema Demokratie, Philosophie oder Debattieren zur Auswahl.

Des Weiteren möchten wir unsere Feedbackkultur kurz skizzieren:

Es treffen sich unter anderem Klassenleitung und Elternvertreter in Tandems unter anderem vor Elternabenden, um die Tagesordnungspunkte zu besprechen. So wird in einem halb- bis einstündigen Gespräch besprochen, was auf die Agenda kommt. Eine kollegiale Beratung in multiprofessionellen Teams führen wir bei Bedarf durch. Dabei treffen sich die Teams, um z.B. eine schwierige Klassensituation zu besprechen.

In Halbjahresgesprächen sprechen Schüler*innen und das Klassenleitungsteam über das aktuelle Arbeitsverhalten und den aktuellen Leistungsstand. Die Schüler*innen haben sich im Vorfeld mit Frage- und Selbsteinschätzungsbögen zu den genannten Aspekten auf das Gespräch vorbereitet. Sie entscheiden, worüber zunächst gesprochen wird und was sie sich für die kommende Zeit vornehmen wollen. Das Klassenleitungsteam äußert sich ebenfalls zu beiden Aspekten, vor allem mit Hilfe konkreter Beispiele aus dem Unterrichtsalltag.

Das Credo für uns lautet: Schwächen sind ein Lernauftrag und nicht Schicksal.

Die Fördergespräche sind ebenfalls ein wichtiger Bestandteil unserer Feedbackkultur. An ihnen sind Eltern, Schüler*innen, Lehrer*innen, die Schulbegleitungen sowie eine Lerntherapeutin beteiligt. So werden bei der Zusammenstellung der Förderschwerpunkte über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt, um der Schülerin/dem Schüler gerecht zu werden.

Die Perspektivgespräche, die am Ende von Klasse 8 geführt werden, richten den Fokus auf den Status quo des Arbeitsverhaltens und Leitungsstandes, an dem der Schüler/die Schülerin ansetzt, um Ziele zu formulieren, damit der angestrebte Abschluss erreicht werden kann. Diese Gespräche werden vom Klassenleitungsteam gemeinsam mit den Schüler*innen und den Eltern geführt und schriftlich dokumentiert.

Um Konflikten im Schulalltag professionell begegnen zu können, haben sich sechs Kolleg*innen zu Selbstbehauptungstrainer*innen ausbilden lassen.

Das Selbstbehauptungstraining („Aufrecht in die Welt gehen – Selbstbehauptung erlernen – Mut wachsen lassen.“) findet regelmäßig ein Halbjahr lang in der 6. Klasse statt.

Es handelt sich um ein spezielles Training zur Persönlichkeitsentwicklung, das vor allem auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Jungen und Mädchen eingeht und das Hauptaugenmerk auf die jeweiligen Entwicklungspotentiale legt, um optimale Impulse für Mädchen und Jungen sicherzustellen.  Ziel des Trainings ist es, die Schüler*innen in einem geschützten Rahmen in ihrer Persönlichkeit zu stärken und ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen sie lernen, selbstbewusster zu ihren Bedürfnissen zu stehen. Sie erproben z.B., wie sie sich in brenzligen Situationen schützen und wehren können. Dabei sollen Akzeptanz der Unterschiedlichkeit gefördert und Anregungen zur Verbesserung des sozialen Miteinanders erarbeitet werden.

Abschließend möchten wir erwähnen, dass Demokratiebildung an unserer Schule über den Unterricht hinaus in außerschulischen Lernarrangements stattfindet.

So hat unsere Schule zum Beispiel an einem Demokratieprojekt des Thalia Theaters Hamburg mit dem Titel „Orte der Demokratie“ teilgenommen. Dabei wurden die Schüler*innen gefilmt und diskutierten über ihre Wünsche für eine demokratische Schulentwicklung. Nach einigen Wochen wurde im Thalia Theater Hamburg der Film, mit Ausschnitten von allen beteiligten Schulen, gezeigt (www.youtube.com/watch).

Abschießend sei noch das „Fit für Mitbestimmungsseminar“ genannt, an dem seit drei Jahren regelmäßig Schüler*innen innerhalb der Schulzeit über drei Tage teilnehmen.

Es handelt sich hierbei um ein Seminarkonzept zur Demokratiebildung/praktische Demokratiebildung. Die Teilnehmer*innen erlernen Instrumente, die sie im schulischen Alltag anwenden können, wie zum Beispiel während Klassenrat- und SV-Sitzungen. Des Weiteren erwerben sie Kenntnisse über ihre Rechte als Schüler*innen und wie demokratische Institutionen (Parlament, föderative und kommunale Einrichtungen) funktionieren. Konkret konnten zum Beispiel unsere Schulsprecher*innen für ihre Funktion die neu erworbenen Erkenntnisse und Fähigkeiten bei der Vorbereitung und Durchführung von SV-Sitzungen erfolgreich nutzen.

Es ist uns wichtig, demokratischen Schulalltag mit konkreten Beispielen darzustellen, damit der durchaus wichtige theoretische Rahmen belebt wird, denn das allein ist für uns entscheidend.

Autorinnen
Bettina Plenz und Ute Wurst